Leben

Pubertät vs Klimakterium

Meine Tochter ist 15 und ich bin 52. Wir sind zu zweit und wir leben alleine. Bei ihr kommen die Hormone, während sie mich verlassen. Die Symptome sind die gleichen. Das fängt an bei himmelhochjauchzenden Glücksgefühlen und hört auf bei unbegründeten und Sinn befreiten Streitereien bis hin zu schluchzenden Gefühlsausbrüchen. Am Ende weiß ich immer gar nicht mehr, warum wir uns eigentlich in diesem Zustand befinden – natürlich getrennt voneinander – sie in ihrem Zimmer und ich in meinem. Räumliche Distanz oder absolute Nähe – ein weiteres Symptom. Es vergehen manchmal Stunden wenn nicht sogar Tage, an denen wir zwar unter einem Dach leben, uns aber nur über den Weg laufen, wenn wir die Toilette besuchen oder bei der Frage: „Was gibt es heute zu essen“? (Zitat Emma) oder „Was soll ich uns zu essen machen“? (Zitat von mir). Gegessen wird in der Regel getrennt voneinander. Ich bin der Meinung, dass ich sie und auch sonst niemanden zwingen kann, meine Gesellschaft während des Essens zu genießen. Dafür ist die Nahrungsaufnahme zu intim. Hauptsache sie isst was Warmes und einigermaßen Gesundes. Hin und wieder und ohne Zwang passiert es dann doch, dass sie zu mir kommt oder ich zu ihr gehe. Dann wieder hängen wir aufeinander – ich in ihrem Zimmer oder sie bei mir. Wir kriechen ineinander und halten uns fest. Emotional und körperlich, so als ob wir ahnen, dass diese Momente nur noch selten sind oder sein werden. Ein Ausblick der bei mir ein Schluchzen verursacht, selbst jetzt während ich diesen Beitrag schreibe.

Ja. Wirklich. Ich heule bei jedem Anlass: Siegerehrungen, Anblick kleiner Kinder, Ansprachen, und auch zu den unmöglichsten Momenten. Neulich hat sich eine Kollegin von uns in den Ruhestand verabschiedet. Eine Lady mit der ich eigentlich nicht so viel zu tun hatte. Ihr könnt Euch vorstellen, wie sie geschaut hat als sie bemerkte, dass ein Tränchen bei mir floss ……. Auch das kann ich bei meiner Tochter beobachten. An manchen Tagen darf ich sie nicht ansprechen – ich rede von ganz normalen Ansprachen und nicht etwa Maßregelungen wie: „Hallo“, „Wie war Dein Tag“?, „Kannst Du mir bitte mal das Brot geben“? Das birgt natürlich etliche Gefahren, da ich mir jedes Wort sehr genau überlegen muss. Manchmal stocke ich auch mitten im Satz, was bei ihr einen gefährlichen Gesichtsausdruck und ein lauerndes Abwarten zur Folge hat, weil ich leider zu spät merke, upps, könnte in die Hose gehen. Normale Anreden haben in unserem Haushalt mittlerweile verheerende Konsequenzen wie Türen knallen, lautes Aufstampfen, Wutausbrüche, etc. Ich habe mir angewöhnt, das zu ignorieren und abzuwarten. Meistens lachen wir später darüber. Einfach in Ruhe lassen und NICHT PERSÖNLICH NEHMEN, ist meistens die beste Devise. Nichts persönlich nehmen ist DIE Devise überhaupt, die ich im Umgang mit ihr strikt befolge, was mir nicht immer leicht fällt, weil auch ich gerade so meine Probleme habe ….

Es ist aber nicht alles so – bei Weitem nicht. Überwiegend bereitet das Zusammenleben mit meiner Tochter große Freude: endlich lachen wir über dieselben Dinge, albern rum, reden über Politik, Mode (obwohl da hakt es natürlich noch), Liebe und andere Themen. Sie bildet sich ihre Meinung, wird immer politischer und positioniert sich und das ist sehr spannend für mich. Natürlich bin ich ihre Mutter und das vergesse ich auch nicht. Immer häufiger sind wir jedoch einfach nur richtig fette Freundinnen (heul).

Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist IMG_20181104_191124_070.jpg.